Der Hey, Hey Mann
Am Nürburgring
gibt es eine Stelle, genannt Adenauer Forst. Bei Insidern ist diese Lokalität
bestens bekannt, für die es nicht kennen, sei es hier erst einmal erklärt:
Die Strecke kommt gerade den Berg herauf, oben an der Kuppe ist ein Links-Knick
und gleich darauf ein Rechts-Knick zu bewältigen. Dann folgt eine Gerade.
Im Grunde genommen kann man auch geradeaus fahren, über die Curbs (
sind die rot-weißen Randsteine ) 80 Meter Wiese, bzw. was mal Gras
war, und man ist wieder auf der Strecke. Eigentlich völlig ungefährlich.
Da dies unerfahrene Touristen nicht wissen, kommt es dort zu haarsträubenden
Szenen.
Der Begriff Touristen: Die Nürburgring GmbH ermöglicht es gegen
eine Gebühr jedem der möchte, mit seinem Fahrzeug eine Runde über
die Rennstrecke zu fahren. Natürlich nur an Tagen, an denen keine Veranstaltung
ist. Am Besten vorher anrufen und nach Touristenfahrt fragen. Manchmal kann
man nur die Nordschleife befahren, aber die hat ja auch den besonderen Reiz.
Die Leute die an solchen Tagen ihre Familienkutsche oder ihr Sportgerät
um den Ring peitschen, nennt man Touristen.
Besonders für Motorradfahrer ist dies die Gelegenheit auszuprobieren,
zu was die Maschine fähig ist, bzw. wie weit der Fahrer gehen kann.
Alle fahren in eine Richtung - es kommt keiner entgegen, man kann die volle
Fahrbahnbreite nutzen. Sollte es zu schwierigen Situationen kommen, so hat
man Platz zu korrigieren und im Extremfall schützt die bis zum Boden
gehende Leitplanke vor schweren Verletzungen. Es ist jedem zu empfehlen,
dies mal auszuprobieren: aber erst eine Sichtrunde, um die Strecke kennen
zu lernen. Auch wenn die Verletzungsgefahr geringer ist als auf öffentlichen
Straßen, sind die Kosten für die Ersatzteile genauso hoch!
An einem schönen Sommertag sind wir mit dem Motorradclub zum „Ring“
gefahren. Nach zwei Runden auf der Nordschleife wollten wir uns ein bisschen
entspannen und vespern. Wir haben den Adenauer Forst wegen des hohen Unterhaltungswertes
als Station auserkoren. Dort herrschte viel Betrieb: ca. 200 Leute saßen
auf der Naturtribüne und ereiferten sich über das Fahrkönnen
der Touristen. Immer wieder kommt mal einer, der die Strecke noch nicht
kennt und versucht dann verzweifelt dem Verlauf zu folgen. Dies führt
zu sehenswerten „Stunts“, die in der Regel ohne Folgen bleiben,
erzeugen aber enorme Heiterkeit auf der Tribüne!
Aus der Sicht des Touristen: Vollgas bergab durch den Streckenabschnitt
Fuchsröhre, es presst einem in die Sitze in der Senke, und dann was die
Kiste hergibt, steil bergauf. Es kommt eine Kuppe und man vermutet, dass es
gerade weitergeht. Ist aber nicht so! Die Strecke biegt nach links ab - Oha!
Lenkrad wird herumgerissen, das Fahrzeug gerät außer Kontrolle,
dreht sich in die Wiese und kommt dann irgendwann zum Stillstand. Puh, gerade
noch mal gutgegangen, nirgends angeeckt weil zum Glück genug Platz ist.
Blick auf die Umgebung: da erkennt der Tourist dann ca. 200 Leute die sich
köstlich amüsieren und johlen, an guten Tagen sogar mit Trillerpfeifen
und Pressluftfanfaren Beifall erteilen! Es sind immer welche dabei, die aufspringen
und klatschen, je nach dem wie spektakulär die Aktion aussah. Eine
große Staubwolke ist von Vorteil......hihi.
Heute fiel uns einer auf, der war sehr professionell: Sonnenschirm, Campingstuhl
und Kühlbox. Ein Profi! Er saß aber nicht oben bei den anderen,
sondern ein klein wenig bergab, vor der Kuppe.
Gelegentlich hüpfte er aus dem Stuhl, winkte mit beiden Armen und
rief lautstark: HEY! HEY! Wir dachten, es sei ein Bekannter von ihm vorbeigefahren.
Nach einiger Zeit kamen uns Bedenken, dass man so viele Bekannte doch gar
nicht haben kann. Und wieder einige Zeit später erkannten wir den Auslöser
für seine Aktionen: Die Seitenscheibe musste heruntergefahren sein
und das Fahrzeug auf der linken Straßenseite fahren.
Wer die Strecke kennt, fährt diese Stelle auf der rechten Seite an,
da ja eine Linkskurve folgt. Und mit heruntergeleierter Scheibe ist der
Fahrzeuglenker für Zurufe empfänglich. Wenn er also mal nach links
aus dem Fenster schaut, weil einer winkt und ruft, fehlt ihm im entscheidenden
Moment die Aufmerksamkeit. In 80% der Fälle führte die Strategie
zum Erfolg: Das betreffende Fahrzeug schleuderte spektakulär von der
Strecke, sehr zur Freude der Anwesenden.
Wir sind bald zusammengebrochen, bei der Erkenntnis, und hatten den Rest
des Nachmittags viel Spaß. Leider war dieser Zeitgenosse bei weiteren
Besuchen des Adenauer Forstes gerade nicht da.
Aber wir hatten uns auch mal was Besonderes einfallen lassen:
Da ein schleuderndes Fahrzeug verschiedene Zustände durchläuft:
eine Drehung, mehrere Drehungen, Hinterrad in der Luft, usw. kann man ja
auch eine Bewertung des jeweiligen Vorfalls abgeben. Zu diesem Zweck fertigten
wir große, weiße Kartons mit Zahlen drauf an. Von 1 bis 6, und
wenn’s mal wieder so weit war, hoben wir diese hoch, sodass der Fahrzeuglenker
über seine Bewertung in Kenntnis gesetzt wurde, wie beim Eiskunstlauf.
Das kam gut! Der ahnungslose Tourist war nach dem Adrenalinstoß froh,
dass seinem geliebten Fahrzeug nichts passiert ist und eventuell mitfahrende
Familienmitglieder auch von Unheil verschont geblieben sind. Man sieht den
Leuten ja an, was für ein Stein denen gerade vom Herzen fällt,
und dann nehmen sie die Umgebung war und erkennen, dass gerade sie im Mittelpunkt
des allgemeinen Interesses sind und erfahren über die Tafeln im Format
A2 daß sie gerade die Kriterien für 5.6 und 5.9 erfüllt
haben.
Die wenigsten nahmen es mit Humor, aber fürs gesamte Publikum war
es das Tüpfelchen auf dem i.
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