Der Marshmellowman
Es war ein ganz normales Sylvester.
Lustige Party mit guten Freunden, Gleichgesinnten.
Allen gemeinsam war vor allem die Freude an besonderem Feuerwerk.
Alkoholische Getränke waren auch sehr beliebt.
Mit einer "Napoleon" Kanone
wurde jede Stunde das Zeitzeichen für den ganzen
Ort gesendet. Es handelte sich um einen käuflichen Bausatz,
der mit Schwarzpulver
zum Salutschießen geeignet ist. Der Lauf ist ca. 40cm lang und
in die Mündung kann man einen Finger reinstecken, = ca. 2 cm.
Das Ding macht einen höllischen
Krach und sieht gut aus. Der Feuerstrahl
vorne raus und die Qualm wolke
sind beeindruckend!
Als es auf den Jahreswechsel zuging,
lud Brother die Kanone für den gewaltigsten Schuß aller Zeiten. Er meinte es halt gut.
Beim Bereitlegen einer guten Handvoll Schwarzpulver
, wies ich ihn noch darauf hin, daß dies doch wohl viel zu viel wäre.
Seine Antwort war: " Viel
hilft viel!", und damit war alles zu diesem Thema gesagt.
Passieren kann dadurch nichts. Das Pulver
verbrennt mit einer gewissen Geschwindigkeit,
und wenn es zuviel ist, reicht die Zeit zum verbrennen, im Rohr halt nicht aus,
und es wird mit heraus geschossen
Während Brother mit dem Ladestab
auf das bereits eingefüllte Pulver Konfetti, Luftschlangen und Servierten draufstopfte,
kam Dicki des Weges und reichte ihm einen Marshmellow
mit den Worten: "hier, das dämmt gut!". "Gute Idee" und
rein damit. Das Teil war auch wie gemacht für diese, nicht seiner
Bestimmung entsprechenden, Aufgabe. Es paßte ganz genau in die Mündung
und wurde von Brother mit dem Ladestab optimal verdichtet und verdämmt .
Da nicht jeder weis, was Marshmellows
sind, hier eine kurze Erläuterung:
Sie gehören zu den Süßwaren
, von der Konsistenz ähnlich Schaumgummi und bestehen aus Zucker. Bei
den Amis erfreuen sie sich erheblicher Beliebtheit, die grillen die Dinger sogar.
Im Film Ghost Busters taucht der Marshmellowman auf. Es ist eine Werbefigur für das Produkt.
Kurz
vor Zwölf geht es hinaus auf die Straße - gleich ist es
soweit. Die Kanone wird
mitten auf der Fahrbahn positioniert, in Richtung Ortschaft, damit der Schall besser wirkt. Wir
standen auf der einen Straßenseite. Brother zündete die Lunte, allerdings
auf der uns abgewandten Seite, und huschte
vor der Kanone vorbei um zu uns herüber zu kommen.
Dies war natürlich grob fahrlässig,
genau genommen: dämlich!
Jeder weis es, jeder macht es, man hält
sich nur seitlich des Schußapparates auf, und zum Seitenwechsel geht man nur hinten vorbei.
Die Lunte brannte unerwartet schnell
ab. Den Schuß selbst konnte ich nicht sehen. Im entscheidenden Moment
schaute ich gerade woanders hin, da ja vermeintlich noch Zeit war. Nur
im Augenwinkel sah ich Brother bei einer artistischen Einlage.
Er riß das linke Bein hoch und landete auf dem Rücken, stand
aber gleich wieder auf und humpelte herüber. Wir dachten er wäre
ausgerutscht. Er murmelte etwas unverständliches und zündete
die Feuerwerkskörper, die in den tiefen Taschen seines Parkas
verstaut waren nach und nach ab. Als alles verfeuert war, drehte er sich
um und sagte zu mir:" Mir steht die Brühe im Schuh", ging zum Auto und holte
den Verbandkasten. Jetzt war uns erst klar, daß etwas ernstes passiert
sein mußte: Brother holt den Verbandskasten!
Im Partyraum, bei ordentlichem
Licht, beäugten wir den Schaden:
Die Motorradlederhose
hatte hinten am Oberschenkel ein größeres Loch. Hose runter
- auch die lange, dicke Unterhose hatte ein solches Loch, Blut war zu sehen.
Nach dem herunterziehen der Unterhose
kam ein kreisrundes, 5 DM Stück großes Loch im Oberschenkel zum Vorschein,
mit den typischen schwarzen Schmauchrändern.
Kurze Beratung unter Profis, Resümee:
Das ist zu groß zum zubinden und weiterfeiern. Du mußt ins
Krankenhaus . Aber wir müssen
uns erst eine Geschichte
ausdenken, bei Schussverletzungen wird immer die Polizei verständigt.
Oh, ein ernstes Problem! Da kam die rettende Idee:" Du erzählst, es sei eine Rakete dagegen geflogen."
OK, geht klar.
Im Krankenhaus wurde die Wunde sofort
als Schussverletzung erkannt, aber die Größe verwunderte sehr.
Ein solches Kaliber hatten sie dort noch nicht gesehen. Die Geschichte
mit der Rakete stieß auf
Mißtrauen, aber schauen wir mal was drin ist. Es war ja nur ein Einschuß,
kein Austritt auf der anderen Seite. Das Geschoss musste ja noch drinnen
sein.
Das verbrannte Fleisch wurde weggeschnitten.
Narkose war nicht möglich, da der Patient Alkohol getrunken hatte,
au weia, Autsch!
In der Tiefe des Oberschenkels fand
man dann gewisse Mengen unverbranntes Schwarzpulver und viele Papierreste,
was mit einem Raketentreffer in Einklang zu bringen war. Die Krönung
war dann, als der Doktor ein plastikähnliches Teil herausholte: "Da
haben wir ja die Raketenspitze!". Alles klar, es war wirklich ein Raketentreffer
und keine Schussverletzung. Keine Polizei, puuh...
Die Raketenspitze war der Rest des Marschmellows.
Unter der Hitze und dem Druck war der Zucker karamellisiert
, quasi zum Bonbon geworden.
Dies hat sicherlich noch Niemand
auf der Welt geschafft, sich einen Marschmellow ins Bein zu schießen!
Als die Ärzte fertig waren, war
das Loch ca. Handteller groß.
Brother mußte 2 Wochen im Krankenhaus bleiben und dokumentierte den
Heilungsfortschritt durch tägliche Fotografien
die er auch heute noch gerne jedem Interessierten zeigt.
Brother ist nicht mein Bruder, ( der
ist der kleine Zombie ), sonder ein richtig guter Kerl, zu allen (die er
mag) wie ein Bruder, deshalb der Spitzname.
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